zur Druckansicht

Ein kleines Stück russisches Staatsgebiet im Herzen der Schweiz

“Das Suworow Denkmal wurde im Jahr 1898 also fast 100 Jahre nach der Schlacht 1799, Russland gegen die Franzosen, als Gedenkstätte der Russen errichtet. Wer gerne einmal ohne Reisepass nach Russland möchte kann dies tun. Denn wenn man das Denkmal besucht, befindet man sich auf russischem Staatsgebiet.” so steht es auf einem Schild im Restaurant Teufelsbrücke in der Schöllenenschlucht bei Andermatt. Ein Dorf auf über 1430 m, dessen 62 m² großes Gebiet zu 52 % aus Gletschern, Flüssen und Bergen besteht. Aber was für Berge, steil und über 2300 Meter hoch. Sie ragen mehr als 1000 Meter über die Reuss, die sich mit ihrem türkisblauen Wasser in die Schöllenenschlucht geschnitten hat. Hier befindet sich ein beeindruckendes Denkmal mit einer interessanten Geschichte.

russisches Denkmal in der Schöllenenschlucht - russisches Staatsgebiet?
Blick auf das Denkmal von der anderen Seite der Reuss. Anklicken zum Vergrößern.

„Den heldenmütigen Mitkämpfern des Generalissimus Feldmarschall Graf Suworow die beim Überschreiten der Alpen 1799 gefallen sind.“ so lautet die Inschrift. Die 21tausend Mann starken Truppen des Generals Suworow kamen von Norditalien und sollte sich mit der österreichische Armee in Zürich vereinen. Ein Marsch der nicht nur durch die Schöllenenschlucht, sondern unter anderem auch über den 2073 m hohen Kinzigpass und den 1548 m hohen Pragelpass führte. Am 25. September 1799 durchquerten die Truppen Suworows die Schöllenenschlucht. Dazu mussten sie erst „das Urner Loch“, einen der ersten Schweizer Straßentunnel, umgehen, den die Franzosen verteidigten und mit Felsen füllten.

Unerwartet für die napoleonischen Truppen tauchten die russischen Soldaten hinter dem Urner Loch an der Teufelsbrücke in der Schöllenenschlucht auf. Die Franzosen sprengten einen Bogen der Brücke und versuchten so den russischen Vormarsch aufzuhalten. Russen und Franzosen befanden sich nun auf der jeweils anderen Seite der Reuss. Unter dem Feuer napoleonischer Truppen, versuchten die russischen Soldaten mit Hilfe von Brettern eines in der Nähe liegenden Schuppens, den sie dafür zerlegten und mit Schals von Offizieren die Brücke notdürftig zu reparieren, damit eine Vorhut die Franzosen weit hinter die Brücke werfen konnte. Der Plan gelang, die Truppen Napoleons konnten so weit und solange vertrieben werden, dass genügend Zeit für die Reparatur blieb und der größte Teil der Truppen Suworows die Teufelsbrücke überqueren konnte.

Wie kam es eigentlich dazu, dass sich russische Truppen in der Schweiz befanden? Im Jahre 1798 besetzten napoleonische Truppen große Teile der Schweiz und gründeten mit der „Helvetischen Republik“ einen Vasallenstaat Frankreichs. Dieser war verpflichtet Truppen für Kriege zur Verfügung zu stellen und sicherte den Franzosen freies Durchmarschrecht zu. Das war für die Franzosen von wichtiger strategischer Bedeutung. Als Gegenleistung verpflichtete sich Frankreich das politische System der Helvetischen Republik zu garantieren. Während einige Schweizer diese durchaus positiv sahen, formte sich vor allem in den Kantonen Schwyz, Nidwalden, Uri, Glarus und Zug erbitterter Widerstand. So hoben sie ein 10.000 Mann starkes Heer aus und versuchten erfolglos Aarau den Sitz der Helvetischen Regierung zu erreichen.

Anfang Mai 1798 erhoben sich die Oberwalliser gegen die Franzosen, nach zwei erfolglosen Schlachten, brannten diese Visp, eine Stadt im Kanton Wallis, nieder. Die Nidwaldner lehnten die von Frankreich unterstützte Einführung der Helvetischen Verfassung in einer Abstimmung ebenfalls ab. Die Franzosen wollten den Aufstand im Keim ersticken und schickten gegen 1600 Nidwaldner ein Heer von 10.000 Soldaten. Diese wehrten sich verzweifelt aber chancenlos gegen die Übermacht. Entgegen ihren Befehlen plünderten und brandschatzten die französischen Truppen den Kanton Nidwalden, drei Orte wurden dabei völlig zerstört. Die Nidwaldner Schreckenstage im September 1798 mit den anschließenden Deportationen und Verhaftungen, sowie die Lasten der Besatzung sorgten dafür, dass die Bevölkerung immer unzufriedener wurde. Im Frühjahr 1799 verbündeten sich Engländer, Österreicher und Russen, um der von Napoleon ausgerufenen Helvetischen Republik ein Ende zu bereiten.

Die russischen Truppen wurden in weiten Teilen der Schweizer Bevölkerung als Befreier angesehen. So sagte Carlo Peterson der Direktor des Nationalen St. Gotthard-Museums Februar 2012: «Suworow ist nicht nur eine berühmte Persönlichkeit in Russland, sondern er genießt in der Schweiz immer noch eine große Bewunderung für seinen kühnen Feldzug über vier Alpenpässe im Herbst und zum großen Teil mit sehr schlechten Witterungsbedingungen. Dazumal, trotz des Leidens der Bevölkerung wegen des Durchzugs einer so großen Armee, ist Suworow mit seinen Soldaten als Befreier von der Unterdrückung durch die Franzosen angesehen worden. Durch Suworow habe ich das interessante Russland und seine Leute kennengelernt.». Auch die Zürcher Zeitung schrieb im Jahre 1799: «Sie haben strenge Mannszucht, und Übertreter wurden streng bestraft. Sie marschierten frisch auf den Feind los, sie waren auch sehr mäßig und bescheiden, weder Geistlichen, noch Kirchen, noch Weibsbildern hatten sie nicht die geringste Schmach zugefügt. Wenn sie raubten, geschah es nur notgedrungen, um den Hunger zu stillen. Die Franzosen haben sich vor ihrem bloßen Anblick in Flucht begeben.»

Trotz der siegreichen Schlacht an der Teufelsbrücke, war der Feldzug Suworows nicht von Erfolg gekrönt, da er die Armeen von Korsakow und Hotze, mit denen er sich in der Nähe von Zürich vereinigen sollte, nicht rechtzeitig erreichte. Er verließ mit nur 14.000 Überlebenden am 11. Oktober 1799 die Schweiz, Richtung Ilanz und Chur. Suworow fiel beim russischen Kaiser Paul I. in Ungnade und musste nach Russland zurückkehren.

Der Alpenfeldzug Suworows ist in der Schweiz noch heute lebendig, in zahlreichen Orten findet man Gedenktafeln oder Denkmäler. Das größte ist sicher das 12 m hohe in Andermatt, welches 1889 von Richard Zschokke (1865 – 1946) erbaut wurde. Die Gemeinde schenkte das 563 m² große Gelände dem Russischen Kaiserreich. Große Diskussionen gab es seinerzeit um den Namen. Der vorgeschlagene Name Suworow-Denkmal, ein Denkmal zu Ehren eines russischen Generals stand dem Schweizer Neutralitätsgebot entgegen. So einigte man sich auf Russendenkmal, dass den General Suworows und den gefallenen Soldaten gewidmet sein soll. Wer heute im Internet recherchiert, wird sehen, dass inzwischen beide Namen durchaus üblich sind.

Auf russischem Hoheitsgebiet steht das Denkmal übrigens nicht, das Gelände gehört zivilrechtlich Russland, hoheitlich ist es allerdings Schweizer Boden. Jedes Jahr am 24. September findet eine Gedenkveranstaltung mit Vertretern aus Russland und der Schweiz statt, dabei wird auch den gefallenen französischen Soldaten gedacht. Die Teufelsbrücke stürzte 1888 während eines Unwetters ein, sodass man heute nur noch die Fundamente sehen kann.

Dieser Beitrag entstand mit Unterstützung des Suworows-Museum in Altdorf. Herr Gähler nahm sich eine Stunde Zeit um mir meine Fragen zu beantworten. Wer sich selbst auf die Spuren Suworows begeben möchte, dem empfehle ich eine Wanderung auf der Via Suworow und natürlich einen Besuch des Suworow-Museums.

Fotos vom Denkmal und der Teufelsschlucht findet ihr hier: Fotogalerie zum Suworow- bzw. Russendenkmal

Für alle die weitere Informationen suchen eine kleine Linkliste:

Die Schreckenstage von Nidwalden:

Die Alpenüberquerung:

Die Spuren General Suworows Spuren im Gedächtnis des Kantons Schwyz

Die Via Suworow:

Die Teufelsbrücke:

Kaiser Paul I.:

Die Koalitionskriege:

zur Druckansicht

2 Gedanken zu „Ein kleines Stück russisches Staatsgebiet im Herzen der Schweiz

Kommentare sind geschlossen.